Erst 325 Tage später bin ich wieder in Hippach am Bahnhof, um meine Wanderung fortzusetzen. Die nun anstehenden hohen Berge im Tirol lassen leider keinen früheren Start zu.
Erst 325 Tage später bin ich wieder in Hippach am Bahnhof, um meine Wanderung fortzusetzen. Die nun anstehenden hohen Berge im Tirol lassen leider keinen früheren Start zu.
Um den ersten Tag nicht gleich mit 40km zu beginnen, wandere ich am späten Nachmittag noch nach Mösl hoch. Die 800hm auf der Straße sollten schnell vorbei sein. Leider muss ich mich nach nicht einmal 1km schon unterstellen. Aus dem Tröpfeln ist ein ordentlicher Regenschauer geworden. Aber nach ein paar Minuten lässt er schon wieder nach und ich verlasse das schützende Vordach.
Zirka in der Hälfte des Anstieges kommt auch schon wieder die Sonne zum Vorschein und es bildet sich ein richtig schöner Regenbogen über dem Tal, inklusive eines deutlichen Bogens zweiter Ordnung. Das Ergebnis des Versuchs das Schauspiel bildlich festzuhalten ist leider bescheiden.
Wie geplant erreiche ich Punkt 19 Uhr das Hotel Almhof Roswitha, wo ich, nachdem ich mich trockengelegt habe, vorzüglich bewirtet werde.
Der Tag beginnt wie vorhergesagt wolkenlos. Da heute bis 15:30 am TÜPL Lizum/Walchen scharf geschossen wird, habe ich es nicht wirklich eilig. Gegenüber vom Almhof steht der schon länger geschlossene Gasthof Mösl. Es geht auf recht breiten Wegen in konstanter Steigung zuerst zur Sidanalm und dann zu meinem ersten Ziel der Rastkogelhütte. Das übliche Prozedere: Apfelsaft gespritzt - kein 02er Stempel.
Der Weg wird nun etwas flacher, aber gegen Ende doch wieder deutlich steiler. Der kurze Schlussteil ist dann etwas schrofferes Gelände. Dafür ist die Aussicht am Gipfel des Rastkogel grandios. Man sieht weit in die Zillertaler Alpen hinein.
Der Abstieg ist anfänglich auch etwas ruppig. Der Weg zum und beim Nurpsenjoch ist hingegen wieder sehr flach, bevor es, knapp unterhalb der Halslpitze vorbei, wieder steil runter zum MTB-Fahrweg Richtung Geiseljoch geht. Schon nach ein paar Meter verwandelt sich die anspruchsvolle Strecke in eine feinsandige und völlig plattgewalzte Fahrstraße. Daran ändert sich auch nichts bis zur Weidener Hütte.
Die ist gut gefüllt mit großteils E-Bike Fahrern. Als ich nach einer kurzen Trinkpause die Hütte verlasse, gratuliere ich dem einzigen Zweirad-Nicht-Stromfahrer, der gerade bei der Hütte ankommt. Da auch ich schon zweimal mit dem MTB übers Geiseljoch gefahren bin, entwickelt sich eine kurze Unterhaltung über die Strecke.
Weiter geht es etwas unwegsam zur Brücke über den Nafingbach. Bis zur Grafennsalm ist der Weg wieder sehr einsam und schmal. Als ich die Grafennsalm erreiche, sieht man schon einzelne Gruppen vom und in Richtung Krovenzjoch. Ich deute das als gutes Zeichen bezüglich der Wegsperre, denn ich bin etwas zu früh dran.
Am Krovenzjoch öffnet sich der Blick weit in den Truppenübungsplatz Lizum/Walchen hinein. Es ist nichts zu hören und auch als ich zirka eine halbe Stunde vor dem offiziellen Schiessende die Grenze des Truppenübungsplatzes überschreite rührt sich nichts. Alles still - keine Posten. Somit wandere ich gemütlich den Hang entlang.
Der Weg ist aber nicht so flach und breit wie angenommen. So dauert es doch seine Zeit, bis ich das Hochlager Lizum des österreichischen Bundesheeres erreiche und es, etwas oberhalb des Lagers selbst, passiere. Das einzig militärische Teil, das ich sehe, ist ein Pinzgauer 712K. Kurz darauf erreiche ich mein heutiges Ziel: Die Lizumer Hütte.
Die Formalitäten sind schnell erledigt. Die wichtigsten fünf Fragen werden von einer unübersehbaren Tafel beim Eingang schon beantwortet. Trotzdem plappere ich, während ich den verdienten Radler trinke, noch länger mit dem Hüttenwirt über dies und das - ich fürchte etwas länger als üblich.
Hier der amüsante Beginn unserer Unterhaltung:
Ich: Hallo, ich habe bei euch ein Schlafplatz reserviert.
Er: Bist du der Weitwanderer?
Ich: Der bin ich, sieht man das?
Er: Ja
Ich: Danke :-)
Es folgt Duschen, Wäsche waschen, Lager beziehen. Wer die Nummer auf der Karte gleich als Bettnummer erkannt hätte, hätte das Bett nur einmal herrichten müssen.
Zum Abendessen sitzen wir zu fünft am Tisch. Ein Paar aus Chicago - was aber nicht sofort aufgefallen ist, da er sehr gut Deutsch spricht. Aufgefallen ist mir nur, dass sie eigentlich nichts sagt. Danach haben wir die Unterhaltung meist auf English weitergeführt. Die anderen beiden Wanderer - einer aus Niederösterreich und einer aus dem Raum München - waren allein unterwegs und alle vier am Weg „Traumpfad München - Venedig“.
Für diesen Weg dürfte es einen sehr bekannten Wanderführer geben, denn alle haben dieselbe Etappeneinteilung. Dementsprechend unsicher und angespannt war die Reservierungssituation. Der aus München (sorry ich und Namen) hat schon vor Monaten seine Hütten (Wattens - Belluno) alle im Voraus reserviert. Die anderen organisieren sich das kurzfristiger, mit dem Problem der ausgebuchten Hütten und Wartelisten auf den Hütten - vor allem am Wochenende. Ich hoffe aber, dass alle ihr Ziel sicher und mit schönen Erinnerungen erreicht haben.
Später sitze nur mehr der Niederösterreicher und ich noch bei einem Glas Wein und eine fröhliche Damenrunde am Nebentisch beginnt aufzuspielen. Gesang und Gitarre sorgen für recht zünftige Unterhaltung. Trotzdem gehen wir bald darauf schlafen.
Frühstück gibt es zu meiner Freude schon um 7 Uhr. Die Nacht im Lager selbst war ausgesprochen ruhig. Ich hatte schon vor dem Abendessen alles in meine 2 Plastiksäcke griffbereit verstaut, so dass ich kurz vor halb 7 das Lager verlassen kann und in Ruhe die Morgentoilette und das Rucksackpacken erledigen kann.
Schon kurz vor halb 8 starte ich in Richtung Lizumer Böden. Die Kühe haben auch denselben Weg. Ich schau gelegentlich nach links, finde aber keinen Weg, der aufgrund der Felssturzgefahr verlegt wurde. Irgendwann liegt rechts ein Wegweiser am Boden. Da ich tendenziell nach links muss, kümmere ich mich nicht weiter darum.
Plötzlich endet der Fahrweg beim Bach. Kein sichtbarer Weiterweg. Also entschließe ich mich gerade nach oben zum Weg des umgeknickten Wegweisers hochzusteigen, denn dort verläuft auch die geplante Strecke. Schön zieht sich der Weg hoch, nicht immer gleich erkennbar aber immer wieder markiert.
Die ersten Schneefelder tauchen auf und ich kann sie meist am Rand etwas unwegsam umgehen. Weiter oben geht das nicht mehr immer so leicht und so lege ich doch einige Meter mühsam im Schnee zurück. Im Geierjoch eröffnet sich ein herrlicher Ausblick zum Junssee und dem Olperer. Dann trennt sich der „Traumpfad Hainburg - Feldkirch“ vom „Traumpfad München - Venedig“. Es folgt eine Passage, die ich aufgrund des Schnees etwas rechts umgehe und erreiche alsbald den Geier am flachen Gipfel des Geiers.
Kurz genieße ich die herrliche Aussicht und mache mich auf den langen Abstiegsweg. Im glatten Staffelsee spiegelt sich die Landschaft und die Restschneefelder sind durch Sonne und Wind in bizarre Formen gebracht worden. Nach dem Griffjoch warte ich ständig auf die Abzweigung nach links. Jedenfalls bin ich vorbeigegangen und muss dann etwas querfeldein den Weg wieder suchen. Der ist aber im Innergriff mit seinen saftigen Weiden gar nicht so leicht wiederzufinden.
Über teilweise ausgetrampelte Kuh- und Pferdeweiden geht es etwas ruppig zum Bettlerstiegl. Unmittelbar danach geht es meist weglos über eine steile Wiese, bis ich nach der Bachüberquerung einen breiten Fahrweg erreiche. Der führt dann geradewegs zur geschlossenen Naviser Hütte. Zuerst durch den Wald später über den Fahrweg komme ich in Navis an.
Der offizielle Weg geht auf der Unterweg-Straße weiter. Ich entscheide mich für den autofreien und schattigeren Weg entlang des Navisbach nach Matrei. In Matrei selbst gehe ich den Weg über die Bahnhofsunterführung, um den gehsteiglosen Abschnitt auf der B182 zu vermeiden. Bei einer Tankstelle im Ort kaufe ich mir eine Cola.
Nach der Abzweigung nach Mützens geht es erstmal fade und warm die Straße hoch. Auch für die Geschwindigkeitsanzeige kann ich mich nicht entschließen kurz Gas zu geben und einen höheren Anzeigenwert zu bekommen. Erst nach der Mautstation wird es etwas kühler.
Kurz irritiert von der Tafel „Fußgänger müssen die Straße benutzen!“ folge ich trotzdem dem Kreuzweg. Aber mit meinen Trailschuhen und Sportkleidern komme ich wohl kaum als Pilger durch. Schon bald erkenne ich, dass es im Winter eine Rodelbahn ist und wenn dann die Straße auch gesperrt ist, macht es natürlich Sinn die Fußgänger dort hochgehen zu lassen. Heute ist es aber alles andere als kalt. Aber der Waldrasterbach sorgt für Abwechslung und somit ist Maria-Waldrast bald erreicht.
Noch kurz geht es danach bergauf um dann einem etwas moderneren Kreuzweg von 14 rückwärtszählend zu folgen. Zwischenzeitlich komme ich durch Bereiche, wo der Bach sein ganzes Geschiebe zwischen den Bäumen abgelagert hat. Sieht faszinierend aus.
Der langsam zunehmende Verkehrslärm kündigt das Ende der Etappe an. Auch der Bahnhof in Fulpmes ist schnell gefunden und die Stubaital-Bahn steht auch schon abfahrbereit. Also keine Zeit zum Waschen. Die Bahn ist eh fast leer. Das ändert sich aber auf der Fahrt noch deutlich. Da sich aber alsbald jemand neben mich setzt und fast bis Innsbruck Hauptbahnhof sitzen bleibt, dürfte es doch nicht so schlimm gewesen sein.
Zumindest wasche ich mich in der Innsbrucker Bahnhofstoilette erstmal und ziehe mich auch um. Abgesehen von echt sonderbaren nicht leisen Geräuschen aus einer Toilette und einem Monolog eines Verschwörungstheoretiker neben mir sind die Reinigung und die frischen Klamotten sehr angenehm. Ich denke mir nur kurz: Nicht nur Wien ist anders.